In den vorangegangenen Kapiteln wurden das ferromagnetische 3d-Übergangsmetall Kobalt (Kapitel 5) und das paramagnetische 5d-Übergangsmetall Wolfram (Kapitel 6) untersucht. Im Kapitel 4 wurde gezeigt, daß Kobaltfilme auf Wolfram ein gutes lagenweises Wachstum zeigen und die Schichtdicke auf zehntel Monolagen genau präpariert werden kann. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen worden, um die Entwicklung der Bandstruktur des ferromagnetischen Kobalts auf einem paramagnetischen Substrat zu studieren. Bei den Bandferromagneten sind die d-Bänder die Träger des magnetischen Momentes, deshalb ist die Entwicklung dieser Bänder mit zunehmender Schichtdicke von besonderem Interesse. Mit steigender Koordinationszahl verändern sich die anfänglich atomaren d-Orbitale zu d-Bändern. Der Überlapp der Wellenfunktionen führt zu einer stärkeren Delokalisation der Elektronen. Eine vollständige Delokalisation wird aber nicht erreicht, denn selbst in Volumenkristallen können den d-Elektronen Eigenschaften lokalisierter Elektronen zugeschrieben werden [KSP91]. Vega und Nolting [VeN96] sagen vorher, daß der Lokalisationsgrad der Kobalt-d-Bänder zwischen dem von Nickel und Eisen liegen wird (s. Tab. 2.1). Kobalt ist daher ein guter Testkandidat, um die erhöhte Lokalisation mit geringerer Koordinationszahl zu beobachten, denn je stärker die d-Elektronen lokalisiert sind, desto weniger sollte die Spinaufspaltung ein stonerartiges Verhalten zeigen [NDB93, VeN96]. Zusätzlich führt die abnehmende Koordinationszahl im Tight-Binding-Modell [Blu93] zu einem erhöhten Moment, was bedeutet, daß für ultradünne magnetische Filme eine erhöhte Austauschaufspaltung vorhergesagt wird. Zu den Fragen ob eine erhöhte Austauschaufspaltung in der Bandstruktur der Kobaltfilme existiert und ab welcher Filmdicke die Bandstruktur volumenartig wird, gibt es widersprüchliche Ergebnisse.
Während Mankey et al. [MWH93] in der spinintegrierten inversen Photoemission an Co/Cu(111) keine erhöhte Austauschaufspaltung nachweisen, dafür aber eine zum Co(0001)-Einkristall verschobene Energielage des d-Bandes bis mindestens 12 ML finden, stellen Alkemper et al. [ACV94] für dasselbe System ab 3 ML keine Änderungen in den spinaufgelösten Photoemissionsspektren fest. Jedoch finden sie eine erhöhte Austauschaufspaltung im Co/Cu(111)-System. Die Diskrepanzen zwischen den beiden Arbeiten werden in [ACV94] darauf zurückgeführt, daß die Untersuchungen der unbesetzten Bandstruktur ohne Spinauflösung geschah.
In dieser Arbeit wurde ein hcp-Co-System ausgewählt, zu dem es bereits spinaufgelöste[Get93] und spinintegrierte [Kno95] Photoemissionsmessungen gibt. Die spinaufgelösten Messungen haben gezeigt, daß das Spinpolarisationssignal von der zehnten Monolage Kobalt an konstant bleibt. Wiederum gibt es widersprüchliche Angaben, ab welcher Schichtdicke die Spektren unverändert bleiben. Derzeit gibt es keine (spinaufgelösten) Messungen der unbesetzten elektronischen Struktur am System Co/W(110).
Abbildung: IPE-Spektren des Wolframsubstrates bei den für die Studie der lagenabhängigen
Entwicklung der d-Bänder ausgewählten Winkeln (). Die -Angaben in den
Klammern beziehen
sich jeweils auf Energien im Bereich der Fermikante.
Für diese Untersuchungen in Abhängigkeit von der Kobaltschichtdicke wurden an ausgewählten Winkeln spinaufgelöste IPE-Spektren aufgenommen. Die Abbildung 7.1 zeigt die Wolframspektren dieser ausgewählten Winkel.
Selbst ohne Spininformation bieten die Spektren bei Normalinzidenz die Möglichkeit, die Entwicklung der d-Bänder entlang einer Hochsymmetrielinie zu beobachten. Die definierten Symmetrien erlauben mit Hilfe der Dipolauswahlregeln und einer Polarisationsanalyse des emittierten Lichtes, Zuordnungen zur theoretischen Bandstruktur. Desweiteren bieten die Normalemissionsspektren die Gelegenheit eines Vergleiches mit den Literaturdaten von Kobaltschicht- und Volumensystemen [Get93, KnB93, ACV94, MWH93, HiE79].
Ein weiterer Hochsymmetriepunkt ist der Brillouinzonenrand, der aber aufgrund der großen Brillouinzone für die IPE im Isochromatmodus nicht im Bereich der Fermikante zugänglich ist (s. Anhang B). Von experimenteller Seite werden die Messungen auf Winkel begrenzt. Unter dem Elektroneneinfallswinkel erreicht man eine gute Ankopplung zwischen dem Elektronenspin und der Magnetisierung in der Filmebene. Übergänge nahe der Fermikante können Endzuständen bei ca. zugeordnet werden. Im Gegensatz zur Normalinzidenz mit dem intensiven -Übergang an der Fermikante, zeigt das Wolframspektrum bei hier nur einen strukturlosen Anstieg (s. Abb. 7.1). Man kann daher erwarten, daß die Entwicklung der d-Bänder an diesen -Punkten unterschiedlich verläuft. Die Messungen bei dienen als Bindeglied für die Messungen bei Normalinzidenz () und bei . Bei Energien knapp oberhalb der Fermikante besitzen die Elektronen in den Endzuständen einen Parallelimpuls von . Zum einen ist man also mit dem Parallelimpuls nicht zu weit von der Normalinzidenz entfernt, so daß eine Anbindung der Zustände über eine spinintegrierte Winkelserie möglich sein sollte; zum anderen erhält man durch den Elektroneneinfallswinkel von die Möglichkeit, spinaufgelöste IPE-Spektren aufzunehmen.