Im Gegensatz zu den Atomen ist im Festkörper der Magnetismus eher die Ausnahme als die Regel. Offensichtlich wirkt dem Austauschenergieterm (2.10) im Festkörper ein Energieterm entgegen, so daß es nicht zur Parallelstellung der Spins kommt. Man kann dies für freie Elektronen im Festkörper leicht erkennen. Besetzt man die Zustände innerhalb der Fermikugel nur mit Elektronen einer Spinrichtung, so wächst um und damit die mittlere kinetische Energie um einen Faktor . Diese Zunahme der kinetischen Energie kann nicht durch den Gewinn an Austauschenergie kompensiert werden. Vollständig delokalisierte Elektronen zeigen also keine Tendenz zum Magnetismus.
Welche Voraussetzungen benötigt man, um magnetische Bänder zu erhalten? Im Stonermodell wird dies durch das Stonerkriterium
beschrieben; mit U als intraatomare Coulomb-Wechselwirkung und als Zustandsdichte an der Fermikante. Das heißt, eine große intraatomare Coulomb-Wechselwirkung U begünstigt Ferromagnetismus durch den großen Zugewinn an Austauschenergie. Zusätzlich benötigt man eine hohe Zustandsdichte an der Fermikante , damit bei der Parallelstellung der Spins der Energiegewinn durch die Austauschwechselwirkung nicht durch die erhöhte kinetische Energie der Elektronen vernichtet wird. In Abbildung 2.3 ist schematisch eine totale Zustandsdichte gezeigt, bei der der Energieverlust durch eine erhöhte kinetische Energie nur sehr gering ist. Diese Form der Zustandsdichte ist typisch für die Übergangsmetalle, bei denen im Bereich der Fermikante die flach verlaufenden d-Bänder zu einer hohen Zustandsdichte an führen.
Abbildung:
Schematische Darstellung der spinabhängigen ()
Zustandsdichte eines magnetischen Übergangsmetalls.
Das linke Bild zeigt den Zustand vor, das rechte Bild nach der spontanen
Ausrichtung des Elektronenspins.
Das Stonerkriterium zeigt auf sehr einfache Weise die Grundvoraussetzungen für die Entstehung des Magnetismus im Festkörper. Zur Beschreibung reicht das Stonermodell in den meisten Fällen jedoch nicht aus. Bis heute gibt es auch noch keine geschlossene Theorie des Magnetismus. Häufig wird zur Beschreibung des itineranten Magnetismus auf das Hubbardmodell[Hub63] zurückgegriffen, aus dem sich in der Molekularfeldnäherung auch das Stonermodell ableiten läßt.
In zweiter Quantisierung lautet der Hamiltonoperator:
In Gleichung (2.12) sind und die Erzeuger- bzw. Vernichter-Operatoren für ein
Elektron mit Spin auf dem Festkörper-Gitterplatz i , und
der
Besetzungszahloperator. Dem Modell liegt folgende Vorstellung zugrunde:
Die Abschirmung der Coulomb-Wechselwirkung ist so groß, daß Elektronen nur wechselwirken, wenn sie sich auf dem selben Gitterplatz i befinden. Diese intraatomare Wechselwirkung wird durch U beschrieben. Zusätzlich dürfen die Elektronen auf benachbarte Gitterplätze wechseln. Der Wechsel wird im ersten Summanden der Gleichung (2.12) durch das ,,Hopping``-Integral und die Vernichtung eines Elektrons auf dem Gitterplatz j, sowie der Erzeugung eines Elektrons am Gitterplatz i beschrieben. Schon dieses einfache Modell ist nicht mehr exakt lösbar[Don93] ! Die Beschränkung auf den kurzreichweitigen Teil der Coulomb-Wechselwirkung führt zu einer Vernachlässigung eines nicht unerheblichen Energiebeitrages.
Ein
geeigneterer Ansatz für die 3d-Übergangsmetalle ist das Hubbardmodell in
einer erweiterten Form[NDB93].
Anstatt nur ein einzelnes Leitungsband zu berücksichtigen, wird das d-Band in
die m=(2l+1)=5 Subbänder unterteilt. Dem zweiten Summanden in Gleichung (2.12)
des Hubbardmodells wird eine lokale Wechselwirkung () des Elektronenspins () (Subbandes m)
mit einem
mittleren Gesamtspin () der anderen Subbänder hinzugefügt.
Ein weiterer Term () des zweiten Summanden ist spinunabhängig und beschreibt
die direkte Wechselwirkung der Ladungsdichten zwischen unterschiedlichen Subbändern.
Vega und Nolting [VeN96] zeigen, daß dieser Term für die Bandmagneten Fe,Co,Ni vernachlässigt werden
kann. Das Hoppingintegral im ersten Summanden wird durch die Dispersionsrelation
ersetzt. Die Dispersionsrelation wird im Rahmen der Dichte-Funktional-Theorie in der Lokalen-Dichte-Näherung berechnet.
Die beiden Parameter U und J werden so gewählt, daß der Grundzustand ferromagnetisch ist.
Ferner muß die Curie-Temperatur und das magnetische Moment bei T=0 K gut reproduziert werden.
Das Ergebnis der Rechnung ergibt zwei Arten der Aufspaltung (siehe Abb.2.4). Die Aufspaltung der
teilweise gefüllten Subbänder in zwei Quasiteilchen-Subbänder erfolgt in der Größe von U.
Diese ,,Quasiteilchen``-Aufspaltung ist lokaler (intraatomarer) Natur und berücksichtigt, daß ein zusätzliches Elektron
mit paralleler Spinrichtung zum vorhandenen Spin (gerade Spinwellenfunktion) eine ungerade
Ortswellenfunktion annimmt. Der mittlere Abstand zwischen den Elektronen am lokalisierten
Ort ist groß; dieser Zustand ist energetisch günstiger als der für antiparallele Spinstellung. Diese Aufspaltung muß
nicht an die ferromagnetische Phase gebunden sein. Die ,,magnetische`` Aufspaltung
beruht auf der
Wechselwirkung der Spins mit dem mittleren Gesamtspin der anderen Subbänder. Diese
Aufspaltung ist an die ferromagnetische Phase gebunden.
Welches Temperaturverhalten zeigen diese Quasiteilchen-Bänder? Bei zunehmender Temperatur treten immer mehr Spinflip-Prozesse auf. Was zur Folge hat, daß an diesen Gitterplätzen die Quasiteilchen-Bänder lokal ihre Energielage vertauschen. Ein weiteres Elektron nimmt an diesem Gitterplatz einen Zustand im Quasiteilchen-Subband an, der global immer noch ein energetisch ungünstiger Zustand wäre. Das spektrale Gewicht dieses Quasiteilchen-Subbandes nimmt zu (Depolarisation). Mit der erhöhten Anzahl an Spinflip-Prozessen nimmt der mittlere Spin ab . Die ,,magnetische`` Aufspaltung nimmt daher mit der Temperatur ab. Bei der Curie-Temperatur ist das spektrale Gewicht beider Quasiteilchen-Subbänder gleich. Die ,,Quasiteilchen``-Aufspaltung kann aber bestehen bleiben. Der mittlere Spin und somit die ,,magnetische`` Aufspaltung verschwinden bei . Dieses komplexe Modell ist mit den Parametern U und J in der Lage, die Bandmagneten Fe,Co,Ni qualitativ gut zu beschreiben (s. Tab. 2.1).
Tabelle 2.1:
Vergleich der Bandferromagneten Fe, Co, Ni im erweiterten Hubbardmodell[VeN96].
und sind die Theoriewerte für die angegebenen U's und J's.
Die Unterschiede der Systeme können aus dem Wechselspiel von U,J und der Delokalisation der Elektronen verstanden werden. Delokalisierte Elektronen (s-Elektronen) wechselwirken nicht lokal mit dem Gitterplatzelektron, sondern über J mit dem mittleren Gesamtspin . Für Elektronen mit höherem Lokalisationsgrad (d-Elektronen) wird die Wechselwirkung mit dem Gitterplatzelektron stärker als die Wechselwirkung mit dem mittleren Spin. Je kleiner U desto stärker überlappen sich die 5 Subbänder, und es besteht dann die Gefahr, daß eine geringere ,,Quasiteilchen``-Aufspaltung als ,,magnetische`` Aufspaltung verstanden wird.
Abbildung 2.4: Quasiteilchen-Zustandsdichte für
verschiedene Temperaturen [NDB93].
Von links nach rechts nimmt der Lokalisationsgrad der Elektronen in den Bändern zu.