Die Spektren bei einem Elektroneneinfallswinkel von stellen die Verbindung zu den spinintegrierten Messungen bei Normalinzidenz dar. Schon bei geringen Bedeckungen treten intensive Majoritäts- und Minoritätsemissionen auf. Während die Majoritätsemission () nahe der Fermikante mit zunehmender Filmdicke an Intensität verliert, gewinnt die Minoritätsemissionen (), wie schon beim Winkel von , mit wachsender Filmdicke an Intensität.
Abbildung:
Lagenabhängige, spinpolarisierte IPE an Co/W(110)
bei einem Elektroneneinfallswinkel von ().
Mit sind die
Wolframintensitäten in Anlehnung an 6.2.1 bezeichnet. IS markiert
den Bildkraftzustand in den Spektren.
Auf der Wolframoberfläche überschneidet sich die Intensität des Zustandes mit der Linie des Bildkraftzustandes (IS) (vgl. Abb. 6.6). Im Spektrum des 3 ML Co-Films wird der Bildkraftzustand deutlich intensiver. Am deutlichsten tritt IS für beide Spinkanäle im Spektrum des 5 ML-Films auf, während im 10 ML-Film der Zustand nur im Majoritätsspektrum gut zu erkennen ist. Auch ohne Fit läßt sich erkennen, daß der Bildkraftzustand spinaufgespalten ist.
Abbildung:
Polarisationsanalyse der Übergänge nahe der Fermikante durch den Vergleich
der Spektren beider Zähler ( Zähler 1, Zähler 2) für 3 ML Co/W(110)
bei ().
Das Intensitätsverhältnis der Majoritätsspektren (links) deutet auf -polarisiertes Licht.
Das Intensitätsverhältnis der Minoritätsspektren (Mitte) deutet auf -polarisiertes Licht.
Rechts im Bild ist die projizierte Meßgeometrie für diesen Winkel dargestellt.
Für eine genauere Bestimmung der Energiepositionen der Linien in den Spektren wurden wiederum jeweils Simultanfits des Majoritäts- und Minoritätsspektrums durchgeführt. Für jedes Spektrum wurden zwei Lorentzlinien zur Beschreibung der Intensitätsmaxima im Bereich von bis verwendet. Aus den Fits erhält man folgendes Bild für die Energiepositionen der Zustände. Die Hauptintensität im Majoritätsspektrum verändert seine Energieposition von auf mit steigender Filmdicke. Die Schulterintensität dagegen verbleibt im Rahmen des Fehlers () bei ca. oberhalb der Fermienergie. Im Minoritätsspektrum verändert die Intensität ihre Energielage von auf . Die zweite Intensität im Minoritätsspektrum besitzt im Fit nur ein sehr kleines spektrales Gewicht.
Aus den Simultanfits ergibt sich auch eine Spinaufspaltung für den Bildkraftzustand. Die Intensität des Bildkraftzustandes ist am deutlichsten in den Spektren des 5 ML dicken Kobaltfilms zu erkennen. Die Spinaufspaltung liegt hier bei . Die Werte der Spinaufspaltung bei den Filmdicken 3 ML und 10 ML liegen innerhalb des Fehlerintervalls des obigen Ergebnisses. Die Spinaufspaltung liegt deutlich über der von Himpsel [Him91] abgeschätzten oberen Grenze vom für die Co(0001)-Einkristalloberfläche.
Die Polarisationsanalyse in Abb. 7.8 ergibt für die Übergänge an der Fermikante folgendes Bild. Der Übergang im Majoritätsspektrum ist in beiden Spektren gleich intensiv. Unter Berücksichtigung der , die der Zähler 2 ausserhalb der yz-Ebene liegt, kann nur -polarisiertes Licht von beiden Zählern gleich intensiv detektiert werden. Im Minoritätsspektrum erkennt man, daß der Übergang im Zähler 1 intensiver nachgewiesen wird als im Zähler 2. Das emittierte Licht dieses Überganges ist also -polarisiert. Damit hat das emittierte Licht des Überganges hier die gleiche Polarisation wie bei .
Zusammenfassend ergibt sich durch die spinaufgelösten Messungen, die spinintegrierten Winkelserien und die Messungen bei Normalinzidenz folgendes Bild. Bei ca. (3 ML) existiert ein Minoritätszustand (), der fast dispersionslos von bis annähernd sichtbar ist. Bei allen Winkeln wächst die Intensität des Überganges mit zunehmender Schichtdicke. In den spinaufgelösten Messungen konnte gezeigt werden, daß die Energielage des Zustandes mit der Schichtdicke um etwa zunimmt. Mit Hilfe der theoretischen Bandstruktur (s. Abb. 7.9.b) kann der Übergang bei dem obersten Minoritäts-d-Band () zugeordnet werden. Der Übergang in das -Band ist unwahrscheinlich, da dieser Zustand bei niedrigeren Energien liegt und während dieser Arbeit gezeigt wurde, daß die theoretische Bandstruktur zum Vergleich mit den Messungen in der Regel um etwas mehr als verschoben werden muß. Unter Verwendung der Dipolauswahlregeln (s. Anhang C) ist das -Band das Anfangsband. Das emittiertes Licht des Überganges () ist entweder - oder -polarisiert.
Abbildung 7.9:
Links: Polarisationsanalyse bei Normalinzidenz für 10 ML Co/W(110). Die Intensitäten
der Zähler 1() und Zähler 2() sind gleich. Die möglichen Polarisationen sind im Bild
mit angegeben.
Rechts: Theoretische Bandstruktur von Kobalt entlang . Die
und -Bänder sind um die Übergangsenergie verschoben worden.
Die Polarisationsanalyse des Minoritätszustandes bei
10 ML Co/W(110) (s. Abb. 7.9.a) zeigt gleiche Intensitäten in den Spektren beider Zähler.
Da -polarisiertes Licht im Zähler 1 intensiver und -polarisiertes Licht in Zähler 2
intensiver nachgewiesen wird, kann die gleiche Intensität in den Spektren der Zähler
auf emittiertes Licht beider Polarisationen deuten ().
Der Vergleich mit den Ergebnissen von
Mankey et al. [MWH93] für Co/Cu(111) zeigt, daß die Energielage des Minoritätszustandes
übereinstimmt.
Damit liegt auch hier das Minoritätsband der Kobaltfilme energetisch etwas tiefer als beim
Co(0001)-Einkristall ().
Das obere Minoritäts-d-Band besitzt nach Knoppe [Kno95] einen
starken -Orbitalcharakter und liegt somit in der Ebene, in der der Kobaltfilm
um 3.41 % gedehnt ist.
Die Dehnung könnte eine Ursache der Abweichung vom Volumenzustand sein [MWH93].
Auch ist zu erwarten, daß der vergrößerte Nachbarabstand einen Einfluß auf die
Größe der Austauschaufspaltung hat; im Tight-Binding-Modell erhöht sich mit dem
Abstand zum nächsten Nachbaratom die Austauschaufspaltung [Blu93].
Die unerwartet hohe Spinaufspaltung des Bildkraftzustandes könnte ein Hinweis
auf eine erhöhte Austauschaufspaltung des verzerrten Kobaltgitters sein.
Abbildung:
Links: Vergleich der Spektren beider Zähler für 3 ML Co/W(110) bei Normalinzidenz.
Rechts: Schematische Darstellung der Emissionscharakteristik bei Normalinzidenz. Die Markierung GMZ2
deutet die erwartete Intensität des zweiten Zählers bei Normalinzidenz an.
Im Gegensatz zum dispersionslosen Minoritätszustand, dispergiert der Majoritätszustand nahe der Fermikante rasch abwärts. Seine Intensität oberhalb der Fermikante wird zunehmender Schichtdicke geringer. Die Least-Square-Fits bei und zeigen, daß sich dieser Zustand insgesamt mit zunehmender Schichtdicke zu geringeren Energien verschiebt. Ein Vergleich mit der Bandstruktur bei zeigt, daß das -Band energetisch zu tief liegt. Für den Co(0001)-Einkristall wurde aber am Zonenzentrum zusätzlich ein -artiger Oberflächenzustand unterhalb der Fermienergie entdeckt [HiE79], der in der Photoemission nur mit p-polarisiertem Licht () nachweisbar ist.
Zur Polarisationsanalyse sind daher in Abbildung 7.10 die Spektren beider Zähler bei Normalinzidenz für 3 ML Co/W(110) dargestellt (links); im rechten Teil des Bildes sind die Emissionscharakteristiken verschiedener Lichtpolarisationen, sowie die projizierte Geometrie der Zähler schematisch dargestellt. Der Vergleich der Intensitäten zwischen den Spektren der Zähler zeigt, daß das emittierte Licht - oder -polarisiert ist! Weiterhin wird in den IPE-Spektren [MWH93] bei Übergangsenergien von ein Oberflächenzustand als Schulter an der Fermikante sichtbar. Da der Wirkungsquerschnitt für sp-artige Zustände mit sinkender Übergangsenergie steigt, tritt der Oberflächenzustand in den Spektren dieser Arbeit intensiver auf. Die Ergebnisse zusammengenommen zeigen somit zum ersten Mal den Majoritätscharakter dieses Oberflächenzustandes. Eine Hypothese für die große Energieverschiebung des Oberflächenzustandes von mit zunehmender Schichtdicke ist, daß bei geringen Bedeckungen der Zustand mit dem oberflächenresonanzartigen -Zustand hybridisiert (vgl. Abschnitt 6.2.1). Bei größeren Schichtdicken wird das IPE-Spektrum immer weniger von der Grenzfläche Kobalt/Wolfram beeinflußt und die Energielage des Zustandes nähert sich wahrscheinlich der des Oberflächenzustandes vom Co(0001)-Kristall an ( unterhalb ). Aufgrund der geringen Dispersion des Oberflächenzustandes (s. Abb. 7.3) trägt dieser Zustand erheblich zur totalen Zustandsdichte bei. Durch den reinen Majoritätcharakter des Zustandes bedeutet dies eine oberflächeninduzierte und schichtdickenabhängige Änderung des magnetischen Momentes.
Warum findet man auf der Co(0001)-Oberfläche nur eine reinen Majoritäts-Oberflächenzustand ? Dies läßt sich anhand der theoretischen Bandstruktur aus Abbildung 5.5 erklären. Am -Punkt der Bandstruktur ist die untere Kante der Bandlücke für die Majoritätselektronen stark sp-artig, so daß für die Majoritätselektronen eine Shockley-invertierte Bandlücke existiert. In dieser Bandlücke können sich sp-artige Oberflächenzustände auftreten. Im Fall der Minoritätsbandstruktur ist die untere Bandkante stark d-artig. Daher findet man keine sp-artigen Minoritäts-Oberflächenzustände. Diese Besonderheit der Bandstruktur findet man nicht für die beiden anderen itineranten Ferromagneten Eisen und Nickel! Es liegt daher nahe, daß die Unterschiede im schichtdickenabhängigen Verhalten der Curietemperatur zwischen Fe/W(110) [ElH94] und Co/W(110) [GFB97] teilweise durch die unterschiedliche elektronische Struktur der Oberfläche verursacht werden.