Für das Studium von Ferromagneten haben spinintegrierte Messungen erhebliche Nachteile. Die Zuordnung der Übergänge zu unterschiedlichen Spinzuständen kann nur indirekt und mit Hilfe von theoretischen Ergebnissen vorgenommen werden [Plu82]. Spinaufspaltungen können nur ermittelt werden, wenn die Lebensdauerbreite gering und die Spinaufspaltung groß ist. Die Ergebnisse sind dann immer noch stark von der Linienform-Analyse beeinflußt. Durch die Verwendung spinaufgelöster Techniken wird die Unsicherheit in der Bestimmung der Spinaufspaltung erheblich reduziert. Der Spincharakter der Zustände wird direkt sichtbar.
Abbildung:
Spinaufgelöste Winkelserie
der Co()-Oberfläche. Links: Mit Zähler 1 aufgenommene
Spektren. Rechts: Mit Zähler 2 aufgenommene Spektren (--
Majoritätsspin; -- Minoritätsspin).
Die eingezeichneten Linien deuten die Dispersion der Übergänge A,B,
sowie und an.
In der Abbildung 5.9 sind spin- und winkelaufgelöste
Spektren von bis aufgetragen.
Hierbei wurden die Spektren auf eine hypothetische 100 %
Spinpolarisation hochgerechnet (vgl. Gl. (3.3), s.
).
In den spinaufgelösten Spektren bei Winkeln um zeigt sich, daß
B im wesentlichen ein Übergang in einen Minoritätszustand () darstellt.
Schon ohne Fitanalyse läßt sich erkennen, daß dieser
Zustand mit zunehmendem Elektroneneinfallswinkel von der Fermikante
leicht wegdispergiert (durchgezogene Linie).
Dagegen ist A hauptsächlich ein Übergang in einen Majoritätszustand ().
Weiterhin findet man die Übergänge und in dem Minoritäts- bzw. Majoritätsspektren. Diese Linien ähneln in ihrer Energielage den Hauptintensitäten und , mit denen sie sich auch überlappen. Doch bevor eine genauere Analyse mittels Least-Square-Fit durchgeführt wird, sollen kurz die möglichen Ursachen für die Ähnlichkeit der Energielagen aufgelistet und diskutiert werden.
Welches physikalische
Phänomen kann also die Ursache für die Übergänge und
sein? In Abschnitt 2.2
wurde das erweiterte Hubbardmodell vorgestellt, in dem die
Quasiteilchen-Zustandsdichte ein temperaturabhängiges spektrales Gewicht
besitzt. Mit zunehmender Temperatur des magnetischen Systems kann es zur
Depolarisation der Quasiteilchen-Zustandsdichte kommen (s. Abb.
2.4). Für stark lokalisierte Zustände werden daher in
den Spektren Übergänge in einem Spinspektrum (z.B. Majoritätsspin)
sichtbar, wo zuvor bei T = 0 K nur im anderen Spinspektrum
(Minoritätsspin) Intensität zu sehen war. In der
Quasiteilchen-Zustandsdichte wird diese Depolarisation erst bei groß,
jedoch kann die Depolarisation für einzelne
-Werte auch bei niedrigeren Temperaturen bedeutend
werden [Nol97].
Ist der Übergang bzw. durch
Depolarisation verursacht, so sollten
die am Übergang beteiligten Anfangs- und Endzustandsbänder
die gleichen Symmetrien aufweisen, wie die beteiligten Bänder beim Übergang
bzw. .
In diesem Fall müssen dann auch die Emissionscharakteristika der
Übergänge identisch sein, das heißt die Emissionscharakteristik von
() entspricht der Emissionscharakteristik von
(). Hier kann also eine Polarisationsanalyse
des emittierten Lichtes Aufschluß geben.
Abbildung 5.10: Least-Square-Fit der Spektren bei
(durchgezogene Linie).
Die gestrichelten Linien geben die im Fit angenommen Lorentzkurven wieder.
Der konstante Untergrund und weitere Linien bei höheren Energien sind nicht dargestellt.
Jeweils unter den Spektren ist die Differenz zwischen der Anpassung und den Meßdaten dargestellt.
Für eine genauere Analyse wurden dazu Least-Square-Fits durchgeführt. Hierbei ist zu beachten, daß an der Fermikante die ,,wahre`` Energieposition des Zustandes mit der im Spektrum gefundenen maximalen Intensität nicht identisch sein muß (siehe Simulation im Anhang A). Für eine Referenzmessung an einem Metall mit konstanter Zustandsdichte an der Fermikante bestand keine Möglichkeit. Somit ist die Fermikante ein weiterer Fitparameter, der sehr stark mit der Intensität und Energielage von Zuständen an der Fermikante korreliert ist. Um zuverlässige Aussagen aus der Fitanalyse zu erhalten, sind die Spektren gleicher Spinrichtung aus den beiden Zählern simultan mit einem Fitalgorithmus (,,Simultanfit``) angepaßt worden. Dabei konnten die Intensitäten der Zustände im Fit unabhängig variieren, nicht aber die Energielagen und Energiebreiten der Zustände. Gerade für den großen Intensitätsunterschied im Majoritätskanal am Zonenrand bedeutet dies eine ,,starke`` Nebenbedingung für die Energieposition der Fermikante; ihr Fehler kann mit abgeschätzt werden.
Tabelle: Auf den konstanten Untergrund
normierte Intensitätsverhältnisse der Übergänge im d-Bandbereich. Alle
Werte sind dem Simultanfit aus Abbildung 5.10 entnommen.
und sowie und
zeigen annähernd gleiche Intensitätsverhältnisse.
Die Ergebnisse der Fitanalyse werden exemplarisch anhand der Spektren bei diskutiert. Abbildung 5.10 zeigt Simultanfits der Spektren beider Zähler für jeden Spinkanal im Bereich von bis . Der Simultanfit der Spektren für das Zählerpaar je Spinrichtung ist gut geeignet, um die Polarisationsanalyse aus dem Abschnitt 5.2.1 auch auf die Schulterintensitäten und auszudehnen. In den Spektren sind neben den Meßwerten die Fitkurven eingetragen. Die durchgezogene Linie stellt die Gesamtfitkurve dar. Die gestrichelten Linien sind die Lorentzkurven, die zur Beschreibung der Meßwerte angenommen wurden. Zur übersichtlicheren Darstellung sind der konstante Untergrund sowie weitere Lorentzlinien, die zur Beschreibung der Intensitäten oberhalb von nötig waren, weggelassen worden; sie haben keinen nennenswerten Einfluß auf das hier betrachtete Energieintervall. Unterhalb der Spektren sind die Differenzen zwischen den Meßwerten und der Fitkurve (Residuen) aufgetragen. An den Lorentzlinien erkennt man, daß sich die Intensität von bzw. in den Spektren von Zähler 1 und Zähler 2 annähernd genauso verhält wie die Intensität bzw. . Noch deutlicher wird dies in Tabelle 5.1. Hier sind die auf den Untergrund normierten Intensitäten der Lorentzlinien aus der Fitanalyse tabellarisch dargestellt. Man erkennt, daß die Emissionscharakteristik der Übergänge jeweils für und sowie und gleich ist. Also läßt sich aus der Fitanalyse ableiten, daß die Depolarisation der Quasiteilchen-Zustandsdichte nicht die Ursache für die Übergänge und sein kann.