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Spinaufspaltung des kristallinduzierten Oberflächenzustandes

 

Spinaufgelöste Untersuchungen von Oberflächenzuständen geben Auskunft über die magnetische Aktivität der obersten Atomlagen. Besonders remanent magnetisierte Proben können bei Integration über einige Quadratmillimeter der Oberfläche unmagnetisch erscheinen. Diese ,,nichtmagnetischen`` Oberflächen werden durch eine Vielzahl kleiner Abschlußdomänen hervorgerufen, die das System zur Minimierung der Streufeldenergie ausbildet. Weiterhin gibt die Spinaufspaltung der kristallinduzierten Oberflächenzustände eine untere Grenze für die Austauschaufspaltung der unteren Kanten der Bandlücke an. Dies läßt sich wie folgt einsehen. Die R-Bänder des Brillouinzonenrandes gehen aus der Hybridisierung von sp-artigen mit d-artigen Bändern hervor [Erd60]. Durch diese Hybridisierung ist die untere Bandkante, obwohl am L-Punkt stark sp-artig [GuN92], spinaufgespalten und bewirkt dadurch -entsprechend dem MR-Modell (s. Abschnitt 2.3)- die Spinaufspaltung des sp-artigen Oberflächenzustandes. Die Spinaufspaltung des Oberflächenzustandes liefert eine untere Grenze der Bandkantenaufspaltung, wie in Abbildung 5.21 auf Seite gif ersichtlich wird.

 
Abbildung:   Spinaufgelöste IPE-Spektren des kristallinduzierten Oberflächenzustandes bei . Die Spinaufspaltung wurde durch einen Least-Square-Fit (durchgezogene Linien) ermittelt.

Welche Größenordnung der Spinaufspaltung für die Oberflächenzustände kann erwartet werden? Spinaufgelöste Messungen an Nickeloberflächen zeigen, daß die induzierte Spinaufspaltung in den Oberflächenzuständen von der gleichen Größenordnung, aber kleiner als die Spinaufspaltung der Bandkanten ist [Don89, SED92]. Theoretisch wird für die Bandkanten des Kobalteinkristalls am L-Punkt eine deutlich größere Bandkantenaufspaltung vorhergesagt. Sie ist prinzipiell für Shockley-invertierte Bandlücken am oberen Rand größer () als am unteren (); dies ist eine Konsequenz der besseren Hybridisierung zwischen den s- und d-artigen Zuständen als zwischen den p- und d-artigen Zuständen am Hochsymmetriepunkt L. Die ,,treibende Kraft`` dieser zu Nickel vergleichsweise großen Bandkantenaufspaltung sind die d-Bänder am -Punkt (vgl. Nickel: [Don94]). Daher ist zu erwarten, daß auch der Oberflächenzustand ebenfalls eine größere Spinaufspaltung zeigt. Im Abschnitt 5.2.2 werden die Parameter des MR-Modells für die Spinaufspaltungen und Energielagen der Bildkraftzustände angepaßt. Aus diesen Rechnungen erhält man für den kristallinduzierten Oberflächenzustand eine Spinaufspaltung von .

Abbildung 5.15 zeigt das spinaufgelöste IPE-Spektrum im Bereich zwischen 1.5 und 4.3 eV oberhalb an . Mit Hilfe eines Least-Square-Fits ist die Spinaufspaltung des Oberflächenzustandes zu ermittelt worden. Dies stimmt im Rahmen des Fehlers mit der Voraussage des MR-Modells überein. Zur Beschreibung der Spinaufspaltung der kristallinduzierten Oberflächenzustände auf Co(100) im Rahmen des MR-Modells braucht nur die Bandkantenaufspaltung berücksichtigt werden ! Für den Least-Square-Fit werden Lorentzlinien, die auf einem konstanten, spinabhängigen Untergrund sitzen mit der gaußförmigen Auflösungsfunktion gefaltet. Bei gegebener Breite der Auflösungsfunktion (FWHM  [GTR90]) erhält man für den Majoritätsoberflächenzustand eine Lebensdauerbreite von FWHM . Der Minoritätsoberflächenzustand ist mit einer Linienbreite von FWHM etwa doppelt so breit. Derart große Unterschiede in den Lebensdauerbreiten von kristallinduzierten Oberflächenzuständen sind bislang noch nicht beobachtet worden, wohl aber für die bildkraftinduzierten Oberflächenzustände auf Fe(110) [PDE95]. Im folgenden wird das Modell aus [PDE95] zur Erklärung der unterschiedlichen Lebensdauerbreiten aufgegriffen und auf die Kobalt-Bandstruktur angewendet.

 
Abbildung 5.16:   Schematisches Energiediagramm der Elektronen-Loch-Paaranregung beim Zerfall eines Elektrons aus einem Oberflächenzustand mit der Energie in einen Endzustand mit der Energie . Die Energieposition des Loches ist und variiert von 0 bis .

Der Hauptzerfallskanal der Elektronen aus den Oberflächenzuständen (Anfangszustand ) ist der Übergang in einen unbesetzten Endzustand niedrigerer Energie bei gleichzeitiger Anregung eines Elektronen-Loch-Paares mit der Energie (siehe Abb. 5.16). Neben dem Energieübertrag wird auch ein Impuls übertragen, so daß nicht mehr gilt. Als einfachste Näherung läßt man daher alle zu gehörigen Werte von zu und nimmt an, daß das Übergangsmatrixelement für alle Endzustände gleich ist. Dann ist die Übergangsrate proportional zur:

  1. Zustandsdichte bei der Endenergie,
  2. Zustandsdichte bei der Energie des Lochs,
  3. Zustandsdichte bei der Energie des angeregten Elektrons, .
Die Energie des Loches kann Werte von 0 bis annehmen. Eine zur Gesamtübergangswahrscheinlichkeit proportionale Größe ergibt sich durch die Integration über alle möglichen Elektronen-Loch-Paar- und Endenergien .


 

Berücksichtigt man die Spinabhängigkeit dieses Prozesses in ferromagnetischen Materialien, dann wird die Endzustandsdichte durch die spinabhängige Endzustandsdichte ersetzt, da beim Übergang der Spin erhalten bleibt. Dagegen ist die Spinorientierung des angeregten Elektrons aus dem Elektron-Loch-Paar beliebig. Es gilt:


 

 
Abbildung:   (siehe Text) für Kobalt nach [PDE95]. und kennzeichnen die energetische Lage der kristallinduzierten Oberflächenzustände.

Abbildung 5.17 zeigt die Größen (durchgezogene Linie) und (gestrichelte Linie) als Funktion der Anfangsenergien . Zusätzlich sind die Positionen der spinabhängigen Oberflächenzustände eingezeichnet. Hiernach ergibt sich für den Minoritätsoberflächenzustand eine ca. siebenmal größere Übergangsrate als für den Majoritätsoberflächenzustand. Anhand dieses Modells kann qualitativ die viel kürzere Lebensdauer des Minoritätszustandes erklärt werden. Die Abweichungen zwischen dem Modell und dem Experiment, liegen zum großen Teil daran, daß man alle für das Elektron-Loch-Paar zuläßt, sowie alle Übergangsmatrixelemente als gleich annimmt. Weiterhin ist nicht geklärt, ob bei der Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren der Spin immer erhalten bleibt. Zeitaufgelöste Zwei-Photonen-Photoemission mit anschließender Spinanalyse der Elektronen hat für Co/Cu(001) bei Energien von über der Fermienergie in Übereinstimmung mit meinem Experiment, eine zweimal größere Lebensdauerbreite der Minoritätselektronen gegenüber den Majoritätselektronen ergeben[WBO97].


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Bode Sven
Wed Sep 3 11:00:17 MET DST 1997