Sonderforschungsbereich 450

Analyse und Steuerung ultraschneller photoinduzierter Reaktionen

Prof. Gerhard Ertl bis 2004 Leiter des Teilprojekts A5 erhielt den  Nobelpreis für Chemie 2007

Forschungsprogramm

Im Sonderforschungsbereich „Analyse und Steuerung ultraschneller photoinduzierter Reaktionen" (Sfb 450) werden Laserpulse benutzt, die eine Dauer von nur einigen Femtosekunden haben können (fs=10-15s), um die Photoreaktivität von molekularen Systemen zu untersuchen und zu beeinflussen. Durch Formen des Lichtfeldes versuchen wir, die Konstellation von Elektronen und Kernen zu stören, die resultierenden Bewegungsabläufe zu charakterisieren und sie synchron in ihrem Verlauf so zu lenken, dass ein gewünschter Zielzustand erreicht wird, der anders kaum zugänglich ist. Dieser Aspekt wird auch als „kohärente Kontrolle" bezeichnet. Dafür sind Lichtfeld und Bewegung, Ursache und Wirkung, prinzipiell und im Zusammenhang zu verstehen. „Analyse“ und „Steuerung“ stellen somit für das Gebiet der Elektronen- und Kerndynamik unter dem Einfluss geformter Laserfelder die zwei Ziele dar, die unseren Sonderforschungsbereich bestimmen. Hierbei führte uns die Konvergenz von Experiment und Theorie zu neuen Konzepten, was die Tragfähigkeit des Themas, dessen Wandlungsfähigkeit und sein Potenzial beweist.

 In der ersten Förderperiode stand - experimentell wie theoretisch - die Analyse  von Reaktionen geeigneter Modellsysteme im Vordergrund. Das Lichtfeld war meist aus einem  kurzen Anregungspuls und einem zeitverzögerten Abfragepuls gleichbleibender Frequenzen zusammengesetzt; d.h. die einzige Feldvariable während einer bestimmten Photoreaktion war die Verzögerungszeit zwischen den beiden Teilpulsen. Damit gingen wir unser Thema vornehmlich über die Zeitdomäne an und versuchten, die Ergebnisse im Rahmen von Modellbildung und dessen theoretischer Ausführung zu verstehen. In der zweiten Förderperiode wurde das ursprünglich eher noch spekulative Ziel einer Steuerung für kleinere Systeme erreichbar. Allgemein verbreiterte sich unser methodischer Ansatz, indem wir komplexere Anregungsfelder verwendeten und ihre Wirkung analysierten. Das Lichtfeld mag dabei durch­aus über ein längeres Zeitintervall andauern; hierbei werden seine spektralen Komponenten jedoch zeitlich - d.h. mit abgestimmter Phase - so eingesetzt, dass sie der momentanen Anord­nung der Kerne angepasst sind. In diesem Sinn kann man sagen, dass die Frequenzdomäne ­–  allerdings kohärent mit der Zeitdomäne verknüpft – wieder gewonnen wurde. Diese neue Art der Analyse bestimmte die dritte Förderperiode: Analyse durch Steuerung wurde Realität.  Für kleinere molekulare Systeme bedeutete dies die Konvergenz von Experiment und Theorie. Dabei konnten wir die Komplexität schrittweise erhöhen, beispielsweise durch Ankopplung von Liganden, Anlagern von Solvathüllen, Einbetten in Matrizen bzw. Lösungen oder Adsorption auf Oberflächen. Selbst für große Moleküle oder Chromophore, deren Wechselwirkung mit der Umgebung die Prozessabläufe entscheidend beeinflusst, wurde die Wirkung geformter Laserfelder auf die Reaktions-dynamik durch ein Zusammenspiel von Theorie und Experiment bereits deutlich besser verstanden. Methodisch haben wir dabei den Spektralbereich zum IR und zum UV erweitert, höhere Intensitätsbereiche einbezogen, und erweiterte Kontroll-szenarien entwickelt. Die mit diesem Instrumentarium weitgehend vom Sfb 450 erzielten Ergebnisse werden in einem neu erschienenen Buch vorgestellt.

 In der anstehenden letzten Förderperiode verfolgen wir das Ziel, die optische Analyse und Steuerung als verlässliches Werkzeug auch anderen Disziplinen zugänglich zu machen. Erste Ansätze dazu sind ermutigend. So werden kurze geformte Laserpulse bereits eingesetzt, um photoinduzierte Reaktionen in komplizierten molekularen Systemen in der kondensierten Phase auszulösen. Phasengesteuerte Übergänge werden auch zur mehrphotonischen Anregung von Biofluoreszens für die dreidimensionalen Bildgebung genutzt. Künftig wollen wir Themen, die zu konkreten Anwendungen führen, verstärkt bearbeiten. Beispiele sind der optimierte MALDI-Nachweis (Matrix-Assisted Laser Desorption and Ionisation) und die kontrollierte Photodynamik von metalldotierten Biokomplexen sowie von Käfigkomplexen in vivo (caged complexes), die zeitaufgelöste Ramanspektroskopie an photoreaktiven Proteinen bis hin zur optimierten Kontrolle von Modellsystemen für die photodynamische Therapie. Dabei gehen wir so vor, dass die Anwendungsorientierung aus den bisher bearbeiteten Themen heraus entwickelt wird. In diesem Fall kann die verbundene Theorie sofort richtungsweisend sein und weiterführende Konzepte entwickeln. So gehen von der Theorie Impulse aus, die Elektronendynamik zu beeinflussen, polarisationsgeführte molekulare Ringströme zu kontrollieren, und Steuerkonzepte zur Erzeugung ultrakalter Moleküle zu realisieren. Instrumentell erfordert dieses die Erweiterung von Zeitauflösung, Bandbreite und Frequenzbereich der eingesetzten Laserpulse: Im nahen IR und Sichtbaren soll dieses durch kontrollierte Plasmakanäle, im Vakuum-UV und nahen Röntgenbereich durch die Erzeugung geformter hoher Harmonischer (HHG) erfolgen.

Dieser Konzeption entsprechend gliedern wir den Sonderforschungsbereich in drei Projektbereiche:
A:        Systeme mit wenigen aktiven Freiheitsgraden
B:        Komplexe Systeme
C:        Theorie

   
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